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Zeitzeugengespräch mit Michaela Vidláková aus Prag

Dr. Michaela Vidláková, 1936 in Prag geboren, war am Mittwoch, den 21. Februar als Zeitzeugin an unsere Schule gekommen, um den Geschichtskursen des 11. und 12. Jahrgangs über ihre Erfahrungen zu erzählen, die sie als Jüdin in Tschechien gemacht hat.

Jeder, der heute einem Zeitzeugen zuhört, wird selbst einer werden“, mit diesem Zitat eröffnete unsere Schulleiterin Frau Gerhardy-Grotjan die besondere Veranstaltung.

90 Minuten lang hingen die beiden Jahrgänge wie gebannt an ihren Lippen, während die Tschechin von Erlebnissen erzählte, die in jedem Betroffenheit auslösten. Frau Vidláková war schon mit sechs Jahren gemeinsam mit ihrer Familie nach Theresienstadt gebracht worden, ihre Großeltern waren zu diesem Zeitpunkt schon seit einem Jahr verschwunden. Zuvor waren sie durch die Nazis entrechtet worden. Sie hatten ihren gesamten Besitz abgeben müssen, nicht mal der Kanarienvogel durfte bleiben. Das „Bewusstsein für das Jüdischsein“, so wie sie es nannte, entwickelte sie schon im Alter von vier Jahren. Schließlich waren der Judenstern an ihrem Arm, die beschränkten Einkaufszeiten in Supermärkten und die sie ignorierenden Kinder auf der Straße Einschränkungen, mit denen sie jeden Tag leben musste.

Sie erzählte uns offen und detailreich von ihrer nur durch Glück überlebten Kindheit. Die tiefe Betroffenheit der Schüler zeigte sich die meiste Zeit in Schweigen, jeder hörte gespannt zu, da sie die Zustände, die damals in Theresienstadt herrschten, so eingehend beschrieb, dass man es sich genau vorstellen konnte. Hierbei half auch die Bilderpräsentation, die sie uns mitgebracht hatte. Sie zeigte viele junge Menschen und deren Talente, jedoch endeten die meisten Erzählungen über diese Kinder mit „aber der/ die ist ein Jahr später nach Auschwitz gebracht worden.“ Man sah ihr an, wie traurig sie um diese Menschen war. Sie wiederholte immer wieder, dass die meisten dieser Kinder große Talente hatten und sie es in der heutigen Zeit weit gebracht hätten. Der große Unterschied zum Geschichtsunterricht war hierbei, dass man einen Menschen vor sich sitzen hatte, der auch die Emotionen von subjektiven Erfahrungen schildern konnte. Die vielen Opfer wurden auf einmal durch Bilder lebendig, was den Vortrag noch eingehender gestaltete. Frau Vidláková erklärte uns außerdem die Gründe, warum sie der Arbeit als Zeitzeugin auch im hohen Alter immer noch auf sich nahm. Sie sagte, sie wolle den Kontakt zu Menschen suchen, die die Zukunft in der Hand haben. Für sie sei es wichtig, dass wir uns nicht schuldig fühlen, jedoch wolle sie ein Bewusstsein für die Zustände erschaffen, die damals geherrscht haben. Sie sagte, sie wolle mit ihren Vorträgen als Zeitzeugin diesen, wie sie formulierte, „grauen Fleck“ in der Geschichte so reflektieren, dass etwas Derartiges nicht noch einmal passiert. Durch ihren Lebensbericht hat Frau Vidláková unserer Oberstufe die Augen noch ein wenig weiter geöffnet. Wir bedanken uns also für diesen unheimlich anschaulichen Vortrag über das Leben einer Frau, der das Glück das Leben gerettet hat. Diese Veranstaltung konnte durch die Kooperation mit der Bildungsvereinigung Arbeit und Leben Braunschweig für unsere Schule erstmalig realisiert werden.

Bericht: Merle Delling und Pia Feisthauer

Ansprechpartner: Andreas Last ( last@hvf-bs.net )

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